Feuerwerk an Neuheiten für IPC-Technologie

Mit Twincat/BSD stellt Beckhoff ein Multicore-fähiges, Unix-kompatibles Betriebssystem für Twincat-3-Echtzeitanwendungen vor

Mit Twincat/BSD stellt Beckhoff ein Multicore-fähiges, Unix-kompatibles Betriebssystem für Twincat-3-Echtzeitanwendungen vor (Quelle: Beckhoff)

Nach 35 Jahren IPC-Technik von Beckhoff können Anwender auch in diesem Jahr wieder viele Neuheiten erwarten. Rücken­wind erhalten die Verler Automatisierungsspezialisten aufgrund der Tatsache, dass die CPU-Hersteller zunehmend industrielle Anwendungen ihrer Produkte in den Fokus nehmen. Sie warten mit Programmen zur Langzeitverfügbarkeit und speziell eingebauten Funktionen wie die zeitliche Ablaufsteuerung von internen Bussen sowie TSN-fähige Ethernet-Controller im Silizium auf.

Die vor drei Jahren herausgebrachte Erfolgsserie an Ultra-Kompakt-Industrie-PC C60xx wird ausgebaut: Der lüfterlose Core-i-Rechner C6025 wird zum Ende 2020 released und ­erhält die neuen Intel-Prozessoren „Whiskey Lake". „Diese Rechner bieten herausragende Automatisierungseigenschaften, lassen sich aber auch als leistungsstarke, kompakte Edge Devices einsetzen", lässt H. Beckhoff wissen.

„Der ultrakompakte IP65/67-IPC C7015 eröffnet neue Möglichkeiten der Direktintegration des IPC in die Maschine", stellt er die nächste Innovation vor. Herz dieses IPC sind die Intel-Atom-Prozessoren „Apollo Lake". Der integrierte Ethercat-P-Master sorgt für zusätzliche IO-Anbindung im Feld. Mit den umfangreichen Schnittstellen und konsequenter Intel-Atom-Multicore-Technologie eignet sich der IPC zum Automatisieren, aber auch für die Cloud-Kommunikation. „Mit diesem IPC, Ethercat P und IP-65-IO-Box-Modulen kann sehr einfach ein komplettes Datenerfassungssystem realisiert werden – auch ohne Schaltschrank", stellt er als Vorteil heraus.

Weiterhin werden die zwangsbelüfteten Rechner C6030 und C6032 sowie alle auf ATX- und 3½-Zoll-Motherboards basierende IPC auch mit der Intel-Core-i8/9-Generation „Coffee Lake/Coffee Lake Refresh" ausgestattet. Kostensensitive Hochleistungsautomatisierung mit nur einem IPC mit bis zu acht Kernen wird dadurch möglich. „Anwender nutzen diese Rechner gern wegen der hohen Performance", schließt der Geschäftsführer an. „Die Ausnutzung der Mehrkern-Technologie durch die Twincat-3-Funktion Isolated-Cores gewinnt zunehmend an Bedeutung, selbst bei einfacheren Anwendungen."

Die neue Embedded-PC-Familie CX20x3 wird nun mit Dual- oder Quad-Core-AMD-Ryzen-CPU ausgestattet. „Aufgrund herausragender Echtzeit-Eigenschaften sowie der Unterstützung von 32- und 64-bit-Systemen, d. h. von Twincat 2 und Twincat 3, eignen sich die Rechner bestens für alle Automatisierungsaufgaben", weiß H. Beckhoff. „Mit AMD tritt ein neuer ‚alter‘ Mitspieler auf, der im x86-Embedded-Markt die Karten gerade neu mischt." Erwartet wird ein Wachstumsschub für Rechnersysteme im industriellen Umfeld, da neben den klassisch etablierten PC-basierten Steuerungen auch die sich sortierenden Bereiche des Edge Computing, Fog Computing, Cloud Computing, Machine Learning, AI und Vision die Anwendungsfelder ausweiten.

Mit der Einführung der USV-Baureihe CU81xx stehen unterbrechungsfreie Spannungsversorgungen für alle IPC/CX/Panel-Produkte zur Verfügung. Diese bieten eine flexible Kommunikationsanbindung entweder über die Einkabellösung UPS-OCT für 24-V-Versorgung und Datenübertragung oder getrennt über einen USB-Anschluss.

Eine weitere Neuheit ist die Einführung der Controller-Plattform CX7000 auf Basis des ARM-Cortex-M7. Für weniger als 200 Euro Listenpreis steht hiermit eine leistungsfähige Twincat-3-SPS zur Verfügung, die zudem über integrierte IO und LAN-Anschluss verfügt. Über das Ethercat-Busklemmeninterface kann die SPS fast beliebig mit allen Beckhoff-Busklemmen erweitert und natürlich auch die große weite Welt der Ethercat-Geräte angeschlossen werden. Laut H. Beckhoff ist der CX7000 „ein wahres Wunderkind", wenn man Preis und Leistung gegenüberstellt. „Wir stellen unseren Kunden immer leistungsfähigere Lösungen immer preiswerter zur Verfügung", merkt der Geschäftsführer an. „Damit wird auch die Anwendungsvielfalt für die Querschnittstechnologie Automatisierung immer breiter."

Keine wirkliche Überraschung ist mehr, dass Beckhoff nun mit Twincat/BSD für alle neueren IPC-Plattformen ein alternatives Betriebssystem unterstützt. Dieses kombiniert die Twincat Runtime mit „FreeBSD", einem industriell erprobten, Unix-kompatiblen Open-Source-Betriebssystem, das ohne GPL-­Lizenzierung auskommt. Für H. Beckhoff gilt es als Alternative oder auch Nachfolger für Windows Embedded Compact 7 (CE7). Vorstellbar ist allerdings, dass in Zukunft auch „Big-Windows-Applikationen" abgelöst werden, also Anwendungen mit ­Windows 7 oder 10. „FreeBSD" – und damit auch Twincat/BSD – unterstützt sowohl ARM-CPU als auch Intel-Xeon-Prozessoren und bietet somit eine skalierbare Plattform von kleinen Embedded- bis zu Hochleistungs-IPC-Steuerungen. Laut dem Geschäftsführer befindet sich sein Unternehmen damit „in bester Gesellschaft mit Microsoft, die neben Windows auch zunehmend Unix-Varianten unterstützen."

Das Thema HMI hat für das Unternehmen Beckhoff nicht an Charme verloren. „Täglich adaptieren wir Kundenanforderungen und realisieren perfekt auf die jeweilige Applikation angepasste Panels bzw. Panel-PC", freut sich der CEO. Des Weiteren können Kunden auch standardmäßig ab Stückzahl 1 die Tastererweiterung mittels eines Konfigurators an ihre Applikation anpassen. Die Ostwestfalen haben bereits im Jahr 2012/13 als einer der ersten großen Industrieautomatisierer Multitouch-Technik maschinentauglich gemacht und damit einen neuen Trend in der Industrie gesetzt. Nach wie vor drängen bekannte sowie auch viele kleinere Unternehmen neu in das Segment „IPC". „Unser Know-how, die Fertigungsdichte und vor allem der enge Kontakt zum Kunden lassen uns zeitgemäße Industrie-PC-Hardware entwickeln und anbieten – hoch performant oder preisoptimiert", betont H. Beckhoff.

Bus-/Ethercat-Klemmen – Grundbausteine für die Automatisierung

Der Geschäftsführer erinnert sich: „1995, also vor nunmehr 25 Jahren, haben wir die Busklemmen auf der Hannover Messe vorgestellt. Das war damals für die ganze Automatisierungsbranche eine echte Revolution! Denn zuvor gab es nur Feldbus-Block-IO mit z. B. 8/16/32 E/A. Mit den Busklemmen vereinigten wir die erprobte und bekannte Reihenklemmenbauform mit moderner IO- und Kommunikationstechnologie. Dies ermöglichte einen fein granularen Aufbau der Klemmenleiste direkt im Klemmkasten entsprechend dem gewünschten Signalmix. In vielen Anwendungen fiel zudem eine ganze Verdrahtungsebene weg, die Klemmkästen wurden kleiner, die ganze IO-Station preiswerter. Wir bezeichneten damals die Busklemme als einen neuen Grundbaustein der Automatisierungstechnik, so wie z. B. auch ein Schütz ein Grundbaustein ist. Und das war richtig, denn praktisch alle Automatisierungshersteller haben die Bauform aufgegriffen und nachgebaut. Heute ist die Busklemme überall als Standard-IO verfügbar. Leider haben wir die Idee damals patentrechtlich nicht richtig geschützt… Das Busklemmensystem ist auch ein schönes Beispiel für mittelständische gemeinsame Entwicklungsarbeit. Damals war Beckhoff schon ein ziemlich gutes Hard- und Softwareunternehmen, aber wir hatten wenig Erfahrung mit elektromechanischen Gehäusekonstruktionen. Mit Wago haben wir einen Partner gefunden, der die elektromechanische Entwicklung übernommen hat. Beide ­Unternehmen haben ihr spezifisches Know-how in das Projekt eingebracht, beide haben das Produkt in den Markt eingeführt, beide sind damit erfolgreich geworden. Ein wunderbares Beispiel für Zusammenarbeit!"

Über 1.000 Varianten der Bus-/Ethercat-Klemmen gibt es ­heute bei Beckhoff, für fast jede Signalart und jeden Anwendungsfall stehen Klemmen zur Verfügung. Im Verlauf der Jahre ist das System stetig erweitert worden. Neben den Standard-Signalen der Automatisierung stehen heute auch viele Kommunikationsklemmen, messtechnische Präzisionsklemmen, „gelbe" Safetyklemmen, „blaue" EX-i-Klemmen, Motorsteuerungsklemmen und viele weitere Ausführungen den Beckhoff-Anwendern zur Verfügung. H. Beckhoff kommentiert: „Besonders freut uns, dass wir unser Klemmensystem über 25 Jahre in der Bauform stabil gehalten haben. Fast alle unsere Klemmen, die wir 1995 am Anfang vorgestellt haben, gibt es auch heute noch als Beckhoff-Serienprodukte. Wir haben früh verstanden, dass die langfristige Verfügbarkeit ein ­hohes Gut für unsere Kunden ist. Natürlich haben wir für alle Signalarten regelmäßig neue Designs eingeführt, um Performance und Preis zu optimieren, aber die Kompatibilität ist erhalten geblieben und wird auch weiterhin erhalten bleiben. 25 Jahre gibt es das Busklemmensystem bereits, wir denken, dass weitere 25 Jahre vor uns liegen!"

Der Geschäftsführer ergänzt: „Ethercat ist eine weitere heute weltweit genutzte und anerkannte Basistechnologie, die ­Beckhoff erfunden und in die Automatisierung eingeführt hat. Zwar feiert sie dieses Jahr kein Jubiläum, ist sie doch in 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt worden." Auch hier freut es H. ­Beckhoff, dass der Standard seit seiner Einführung stabil gehalten werden konnte und Ethercat heute nach wie vor die Referenz für offene, schnelle, deterministische, einfach zu handhabende und preiswerte Kommunikationstechnik im Steuerungsbereich ist. „Kompatibel zu Ethercat werden auch die Technologieerweiterungen Ethercat G und Ethercat G10, also die 1- und 10-Gbit/s-Varianten, aktuell in den Markt eingeführt. Leistungsreserven für die Zukunft sind damit aus der Sicht von Beckhoff mehr als ausreichend vorhanden!"

Überhaupt bietet Ethercat laut dem CEO alles, um auf der IO-Ebene eine einfach handhabbare und hoch performante Kommunikationslösung zur Verfügung zu stellen. „Wir unterstützen die Entwicklung von TSN intensiv mit vielen Ressourcen", bemerkt H. Beckhoff. „TSN eignet sich vor allem dafür, unterschiedliche Steuerungen miteinander zu kombinieren." Für die IO-Ebene muss man in Bezug auf TSN „mit seiner komplexen Switch-Technologie allerdings von zu viel unnötigem Overload ausgehen" – für ihn nicht wirklich lösungsorientiert.

Unter vielen Neuheiten im IO-Bereich ist besonders die neue Servoklemmen-Serie ELM72xx im robusten Metallgehäuse hervorzuheben. Das Metallgehäuse erlaubt eine Verdopplung der bisherigen Leistungen bis auf 1 000 W Antriebsleistung! Ebenso sind STO/SS1 und die Brems-Chopper-Ansteuerung standardmäßig integriert. Optional gibt es auch das umfangreiche Funktionspaket Safe Motion z. B. mit Safe Limited Speed und Safe Position. Damit können 2-Kanal-Servo-Antriebs­klemmen kräftige Preisvorteile bieten. Vier- und achtkanalige Thermoelementklemmen der ELM33xx-Serie erweitern im Bereich der hochpräzisen, messtechnischen Klemmen das Portfolio. Die neue Serie EL51xx zur Auswertung von 5-V-Inkrementalencodern (RS-422/TTL) führt zu 50 % Platzersparnis im Schaltschrank.

Gespannt blicken die Verler auf Single Pair Ethernet (SPE). „Wir halten SPE für eine sehr sinnvolle Entwicklung", stellt H. Beckhoff heraus. Dies gilt insbesondere auch aus prozesstechnischer Sicht: Hier hängt viel davon ab, ab wann SPE-Feldgeräte zur Verfügung stehen werden. Die Integration der Eigensicherheit zum Ex-Schutz ermöglicht neue Konzepte mit reduzierten Verdrahtungsaufwänden, verbesserter Diagnose und der Möglichkeit zu Plug-and-play-Mechanismen bei der Feldgeräteinstallation. „Wir sind ein großer Anhänger der Einkabeltechnologie und haben deshalb auch Ethercat P vor vier Jahren herausgebracht", setzt der Geschäftsführer fort. „Die SPE-Entwicklung sehen wir ähnlich. Gerade auch bei niedrigeren Datenraten könnte Ethercat hier mit seiner Protokolleffizienz punkten."

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