Flexible Arbeitszeitmodelle sorgen für mehr Nachwuchs
Dank der übersichtlichen Darstellung der notwendigen Daten in Hydra X steht einer effektiven Smart Factory nichts im Weg (Quelle: MPDV)
Regelmäßige Arbeitszeiten haben bei uns nur noch sehr wenige Mitarbeiter – ich gehöre glücklicherweise nicht dazu. Klar, gewisse Servicefunktionen wie die Instandhaltung müssen rund um die Uhr besetzt werden, aber auch hier teilen sich mehrere Mitarbeiter flexibel die abzudeckenden 24 h. Über eine Art Marktplatz regeln wir das Angebot und die Nachfrage nach Arbeitszeit. Dafür haben alle Mitarbeiter eine App auf dem privaten Smartphone, um sich für die jeweilige Schicht zu bewerben. Den klassischen Schichtdienst haben wir dahingehend flexibilisiert, dass wir nun Schichten mit vier, sechs oder acht Stunden anbieten können. Damit der reibungslose Betrieb sichergestellt werden kann, muss ein Arbeitstag spätestens 72 h vor Anfang der ersten Schicht komplett belegt sein. Hier sorgt eine KI-Anwendung dafür, dass keiner bevorzugt wird. Die relativ hohe Komplexität bei der Schichteinteilung übernimmt ebenfalls ein KI-System. Gleichzeitig übermittelt das System aber auch die geleisteten Arbeitszeiten an das Lohnabrechnungsprogramm. Gesellschaftlich hat diese Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Folge, dass sowohl Männer als auch Frauen den Beruf viel besser mit der Familie vereinbaren können. Als Resultat sehen wir dem von Euch so oft beklagten Fachkräftemangel gelassener entgegen – schließlich sorgt das harmonische Familienleben mittlerweile für ausreichend hochqualifizierten Nachwuchs.
Die fehlerfreie Produktion
Bei der Produktion selbst hilft uns eine Vielzahl an Frühwarnsystemen, die kontinuierlich Daten erfassen und daraus Vorhersagen für die nahe Zukunft, aber auch mittelfristig berechnen. Einen Werkzeugbruch können wir mit einem Vorlauf von einem Tag auf wenige Minuten genau vorhersagen. In der Regel kommt es aber nicht dazu, da wir kurz vor Ablauf der Zeit reagieren. Somit konnten wir ungeplante Maschinenstillstände auf nahezu Null reduzieren. Auch mit Ausschuss kämpfen wir kaum noch. Dort, wo ein kostengünstiges Recycling möglich ist, praktizieren wir die Kreislaufwirtschaft. Beispielsweise schmelzen wir Metallbauteile sofort wieder ein, sobald die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers über 5 % liegt. Auch bei der Planung liegen unsere KI-Algorithmen eigentlich immer näher an der Realität als das, was wir in Euren historischen Aufzeichnungen beispielsweise über die Vorhersage von Rüstzeiten gelesen haben. Man könnte glatt behaupten, dass der Blick in die Zukunft für uns nichts mehr mit Glaskugeln oder Kaffeesatz zu tun hat, sondern mit KI und einer sehr hohen Trefferquote. Zumindest trifft das für die Smart Factory zu – die Wettervorhersage ist wohl immer noch genauso lausig wie vor 30 Jahren. Dank der hohen Vorhersagequalität in der Smart Factory können wir auch Liefertermine zu nahezu 100 % einhalten, was sich gleichzeitig auch auf die Supply Chain auswirkt. Die größtenteils autonome Logistik leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Mit autonom meine ich, dass sowohl die Fahrzeuge im Straßenverkehr als auch die Materialzüge im Werk beziehungsweise in der Fabrikhalle komplett selbstfahrend ist.
Semantik als Lehrfach in der Ausbildung
Unsere Fertigungs-IT teilen wir uns sowohl mit unseren Vorlieferanten als auch mit Produktionsunternehmen, die unsere Metallteile weiterverarbeiten. Dazu nutzen wir eine allgemein zugängliche Cloud-Plattform, auf der viele Software-Entwickler ihre Apps anbieten, und wir entscheiden dann, welche wir davon verwenden. Die Supply Chain geht quasi virtuell durch die Wände unserer Fabrikhallen und die Zäune ums Werksgelände hindurch. Das erleichtert uns vieles insbesondere die Verfügbarkeit von Informationen über Materiallieferungen, aber auch über die Bedarfe unserer Kunden. All das fließt über gesicherte Leitungen und verschlüsselte Datenpakete an die Plattform und von dort genau dahin, wo es benötigt wird. Dazu nutzen wir den Nachfolger eines technologischen Ansatzes, den Ihr wohl „Blockchain“ nennen würdet. Protokolle zur Datenübertragung wie OPC UA nutzen wir immer noch – danke dafür, das war eine wirklich gute Investition in die Zukunft. Die Zahl der proprietären Protokolle hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen – aber ein paar beratungsresistente Anbieter gibt es immer noch. Dass OPC UA alleine aber kein Garant für Interoperabilität ist, gehört für uns schon fast zur Allgemeinbildung. Das Thema Semantik in der Informationsverarbeitung gehört schon seit Langem zu den Ausbildungsinhalten des ersten Lehrjahrs.
Hier darf ich Euch vielleicht einen mütterlichen Rat aus der Zukunft geben: Investiert sowohl Zeit als auch finanzielle Mittel in die Entwicklung von semantischen Plattformen. Das, was Ihr Internet of Things nennt, ist nicht einmal die Spitze eines Eisberges von dem, was wir heute unter semantischer Vernetzung verstehen. Ohne Semantik würden unsere KI-Algorithmen lange nicht so gute Ergebnisse liefern und das Anlernen neuer Systeme würde viel länger dauern. Hier haben wir echt Lehrgeld bezahlt, aber jetzt ist bei uns im wahrsten Sinne des Wortes alles selbsterklärend. Ein Sensor der neuesten Generation liefert nicht nur einen Wert, sondern auch eine Beschreibung dazu, was der Wert aussagt, unter welchen Bedingungen er gemessen wurde und wie verlässlich der Wert ist. Komponenten, wie Sensoren, Transportbänder oder auch Handlingsysteme, schließen wir über einen standardisierten Stecker ganz einfach an das Fertigungsnetzwerk an. Alles andere kann ich als Smart-Factory-Ingenieurin online im System konfigurieren – und zwar per Drag-and-drop. Mit Quellcode haben wir hier nichts mehr zu tun – dafür gibt es bei den Softwareanbietern ausreichend Spezialisten. Das, was Ihr Low-Code oder No-Code nennt, haben wir bis ins Letzte ausgereizt. Unsere Fertigungs-IT könnte ein Kind nach Abschluss der vierten Schulklasse ohne Einweisung bedienen und wahrscheinlich auch konfigurieren. Klar, das Wissen über die Prozesse im Shopfloor braucht man schon noch, aber auch darüber lernen die Schüler*innen bereits in der Grundschule. Denn wir haben verstanden, dass die Fertigungsindustrie eine wichtige Säule unseres Wohlstands ist. Daher nennen wir Fertigungsmitarbeiter auch Smart Worker. Das ist bei uns ein Traumberuf, da man einen Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft leistet. Daher habe ich vor meinem Studium erst mal eine Ausbildung zum Smart Worker gemacht. Das hat mir sehr geholfen, die Abläufe in der Fabrik auch einmal von einer anderen Seite zu sehen.