China – Land der Chancen und Herausforderungen
Die schwächelnde Auftragslage in der deutschen Industrie wird zum Teil auch auf das schwache China-Geschäft zurückgeführt. „China ist noch nicht wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt. Prognosen sind aktuell schwierig“, sagt Dr. G. Kegel. Und noch eine andere Entwicklung treibt einigen Automatisierern Sorgenfalten auf die Stirn: Es zeigt sich, dass chinesische Hersteller mit eigenen Automatisierungsprodukten in den europäischen Markt drängen. Inwiefern könnten dadurch die prognostizierten Wachstumschancen gehemmt werden? Dr. G. Kegel: „Zum einen muss man Vorsprung haben, vor jedem der einen kopiert. Und das geht nur über Innovation.“ Er weiß aber auch, dass das leichter gesagt als getan ist. „Denn wir leben alle von Produkten, die man im weitesten Sinn als reif bezeichnen kann. Wir generieren zwar Wachstum mit neuen Produkten und auch die Reputation des Unternehmens hängt stark von Innovationen ab. Aber das Geld heute verdienen wir mit den Produkten, die wir vor zehn oder fünfzehn Jahren entwickelt haben. Die chinesischen Wettbewerber attackieren uns also genau dort, wo wir von der Ertragsseite her am empfindlichsten sind.“ Er verweist darauf, dass man diesen Ertrag benötige, um in Innovationen investieren zu können. „Die Chinesen zählen mittlerweile – was die Innovationskraft gerade in der Elektrotechnik anbelangt – zu den schnellsten. Das Thema Rapid Prototyping können sie mittlerweile als Dienstleister schneller als wir“, berichtet Dr. G. Kegel. Und damit kommt er auf den zweiten Teil der Gleichung: „Es nutzt uns demnach nichts, allein auf Innovationsführerschaft zu setzen. Europa muss auch wettbewerbsfähig bleiben. Das sind wir aktuell immer weniger.“ Wenn man sich im gegenseitigen Wettbewerb behaupten muss, funktioniert das aus seiner Sicht nur über asiatische Fertigungskosten. „Also, entweder Europa wird wettbewerbsfähiger oder wir werden, wenn wir mit den Asiaten mithalten wollen, das mit asiatischen Kosten tun müssen“, sagt Dr. G. Kegel und unterstreicht: „Wir müssen auf jeden Fall in Ländern arbeiten, die per se wettbewerbsfähig sind.“ Er rät auch, den Blick in Richtung Südostasien zu richten. „Möglicherweise ist man in Ländern, wie Indonesien, Vietnam und vielleicht auch Singapur, besser aufgestellt als in China“, gibt er zu bedenken. Sie stünden zudem dem Westen näher.
Eine komplette Abkehr von China hält er für fatal. „Viele Unternehmen – Pepperl+Fuchs eingeschlossen – machen 20 % ihrer Geschäfte in China. Und von diesen 20 % am Umsatz werden hierzulande sozialversicherungspflichtige, gut bezahlte Jobs finanziert. Das heißt, wenn das China-Geschäft wegbricht, trifft es auch Beschäftigte hier in Deutschland, die abgebaut werden müssen. Und das wollen wir alle ganz sicher nicht“, gibt er an. Aus diesem Grund sieht er die aktuellen Diskussionen um De-Risking und Deglobalisierung als zweischneidig an.
KI als neues Wundermittel!?
Ein weiteres die Branche herausforderndes Thema ist der Fachkräftemangel. Hier scheint der Hype um generative KI genau recht zu kommen und für Gegenwind zu sorgen. Oder wie schätzt Dr. G. Kegel diesen Trend ein? „KI-Algorithmen hatten wir schon vor 20 oder 30 Jahren. Nun verfügen wir allerdings auch über ausreichend hohe Rechenleistung, Cloud-Computing und unfassbare Mengen an gelabelten Daten, auf deren Basis eine Deep-Learning-Struktur sinnvoll lernen kann.“ Mit Blick auf generative KI, die sich an Texten beispielsweise aus dem Internet bedient und auch gute Übersetzungen liefert, könne diese vergleichsweise tiefgründig und qualitativ hochwertig lernen. „Im industriellen Umfeld nutzen wir KI bereits auf zwei Wegen: Zum einen transferieren wir unsere Daten in die Cloud eines etablierten Anbieters, lassen sie dort von KI auswerten und erhalten ein Ergebnis. Zum anderen verwenden wir Algorithmen und betten sie in unsere Systeme ein“, erklärt Dr. G. Kegel und stellt heraus: „Das hat sich nicht erst durch OpenAI so ergeben. Aber: Durch OpenAI wurde das Thema extrem gehypt und dadurch hält KI jetzt auch Einzug in unsere Arbeitsprozesse – also nicht nur in unsere Produkte und automatisierten Anlagen. Dort ist sie schon lange etabliert.“
Generative KI tritt nun also ihren Siegeszug in die gesamte Unternehmensprozesse an. „Das fängt bei der Rechnungsprüfung an“, sagt Dr. G. Kegel. „Mit GenAI braucht es keinen Buchhalter mehr, um eine Rechnung zu prüfen. Stattdessen übernimmt die KI diesen Vorgang und verknüpft das Ganze zugleich mit dem entsprechenden Bestellvorgang.“ Und auch mit Blick auf die Erstellung von technischen Handbüchern ist er überzeugt: „Das wird zukünftig zu 90 % von AI übernommen. Sie sorgt zudem dafür, dass immer die neuesten Gesetzesvorschriften einfließen. Und darüber hinaus wird sie die technische Übersetzung gleich mitmachen.“ Zusammenfassend sagt er: „Das Thema KI wird die Art, wie wir arbeiten, nachhaltig verändern. Und diese Veränderung wird bewirken, dass wir eine Vielzahl von neuen Dingen tun können, ohne dafür eine vergleichbar große Anzahl von Menschen mehr beschäftigen zu müssen. KI wird uns also massiv unterstützen – gerade auch mit Blick auf den Fachkräftemangel – und uns auch weniger kreative Tätigkeiten abnehmen.“