Kooperation statt Insellösung
Die App „Anomaly Detection for Visual Inspection” ermöglicht die einfache, Deep-Learning-basierte Oberflächeninspektion im Rahmen der Siemens Industrial Edge Plattform. (Bild: MVTec)
Lohnenswerter für Unternehmen ist daher meist die gemeinsame Entwicklung durchgängiger Schnittstellen und Standards. Dadurch wird der Weg frei für eine durchgängige Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen und Lösungen. Da diese dank Standardisierung in einer Sprache kommunizieren, lassen sie sich je nach Bedarf flexibel austauschen. Dies belebt den Wettbewerb und ermöglicht letztendlich reifere, durchdachte Produkte. Anwender erhalten somit die Möglichkeiten, Lösungen zu vergleichen und das bestmögliche Angebot am Markt auszuwählen.
Auch junge Unternehmen und Entwickler profitieren, da sie auf bestehende und bewährte Schnittstellen zurückgreifen können, anstatt diese aufwendig neu zu programmieren. Auf diese Weise lassen sich innovative Produkte in immer kürzerer Zeit auf den Markt bringen und dort langfristig etablieren.
Gemeinsame Standards für durchgängige Machine-Vision-Prozesse
Auch in der industriellen Bildverarbeitung (Machine Vision) kommen vermehrt Standards und Schnittstellen zum Einsatz. Die wichtigste Rolle spielen dabei die technischen Industriestandards, für deren Entwicklung und Verabschiedung sich Verbände sowie Unternehmen verantwortlich zeichnen. Zu den wichtigen technischen Industrienormen im Machine-Vision-Umfeld zählen Standards für den Bildeinzug wie etwa GigE Vision. Dieser sorgt mittels Gigabit-Ethernet-Interface für eine nahtlose Anbindung von Bildeinzugsgeräten, wie Industriekameras oder Sensoren, an Netzwerkinfrastrukturen.
Auch über die Schnittstelle GenICam (Generic Interface for Cameras) lassen sich Kameras durchgängig integrieren, wobei die Interfaces der Kameras von Programmierschnittstellen bestimmter Anwendungen entkoppelt werden. MVTec als Anbieter von Machine-Vision-Standardsoftware hat in großem Umfang zur Weiterentwicklung der GenICam-Schnittstelle beigetragen. So hat das Unternehmen das GenICam GenTL Producer Framework in eigener Regie programmiert und zur allgemeinen Nutzung freigegeben. In diesem Zusammenhang steht der Production-Ready-Code der gesamten GenICam-Community und den eigenen Kunden kostenlos zur Verfügung.
Darüber hinaus haben in Machine Vision auch Standards für die durchgängige Prozesskommunikation eine zentrale Bedeutung. OPC UA etwa sorgt für den fließenden Datentransfer zwischen Komponenten verschiedener Anbieter. Dies ebnet den Weg für eine durchgängige Kompatibilität mit allen denkbaren Plattformen und Betriebssystemen. Als übergeordnetes Framework setzt OPC UA den Standard für eine gemeinsame Sprache, über die verschiedene Systemwelten Daten miteinander austauschen und kommunizieren. Dadurch wird es möglich, vielfältige Applikationen zur industriellen Automatisierung nahtlos zu integrieren.
Deep-Learning-Standards fehlt noch die Marktreife
Immer wichtiger für das gesamte Industrieumfeld und damit auch für Machine Vision werden aktuell Technologien, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Eine zentrale Rolle spielt hierbei Deep Learning, das auf künstlichen neuronalen Netzen (Convolutional Neural Networks/CNN) basiert. Auch hierfür werden gemeinsame Standards geschaffen, die sich derzeit allerdings noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Als eine der ersten Initiativen auf diesem Gebiet gilt Open Neural Network Exchange (ONNX), ein offenes Format zur Darstellung von Machine-Learning-Modellen, das bereits von einigen Frameworks unterstützt wird. Aufgrund der Vielzahl von zur Anwendung kommenden Frameworks, Bibliotheken und Methoden unterliegt dieser Standard jedoch einer starken Fragmentierung. Daher kann er derzeit einen produktiven Betrieb im
industriellen Kontext noch nicht vollumfänglich abdecken.