Use Cases sind vorhanden
Durch den Einsatz von erneuerbaren Energien werden Batteriespeicher auch im produzierenden Umfeld ein Thema. (Quelle: Weidmüller)
Um neue Technologien optimal in Produkte einfließen zu lassen und Erfahrungswerte zu sammeln, ist es sinnvoll, diese im eigenen Unternehmen zu erproben. Weidmüller setzt das Thema Gleichstromtechnik in seiner vor rund zwei Jahren in Detmold neu erbauten Akademie um. Schritt für Schritt wird diese in Richtung DC-Technologie ertüchtigt. „Wir möchten dort unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren“, erklärt Dr. J. S. Michels. In der Ausbildungswerkstatt wurde im Rahmen von Projekten mit Auszubildenden eine DC-Infrastruktur aufgebaut. Das Ziel: Junge Menschen an die Technologie heranführen. „Vom ersten Schritt an wurden sie darauf vorbereitet, bestimmte Maschinen von AC auf DC umzurüsten – also Bestandsmaschinen quasi entkernen und auf die neue Technologie umrüsten“, verdeutlicht der DC-Experte. Um auch das Thema erneuerbare Energien abzubilden, wurde zudem eine Solaranlage installiert. In weiteren Schritten sollen nun ein Batteriespeicher integriert, Lademöglichkeiten geschaffen und DC-Ladestationen für Elektrofahrzeuge umgesetzt werden.
Weitere prominente Umsetzungsbeispiele sind neue Fabrikgebäude, die durch Partnerunternehmen aus der ODCA aufgebaut werden. In diesen Projekten wird bereits konsequent auf DCTechnologie gesetzt. „Zudem gibt es einige große deutsche Hersteller, die Bestandsfabriken beziehungsweise Bestandsanlagen auf DC umrüsten. Das belegt, dass DC nicht nur ein Thema für Greenfield-Fabriken, sondern auch für den Retrofit ist“, stellt er heraus. Und auch die Automobilindustrie habe großes Interesse an dem Thema. „Aktuell werden Produktionsanlagen für Modelle der nächsten Generation projektiert und aufgebaut. Und dort werden auch die ersten Weidmüller-Seriengeräte für DC-Anwendungen verbaut sein“, sagt Dr. J. S. Michels. Gleichzeitig haben einige Hersteller ihre Fabrikgebäude bereits für DC-Anwendungen umfassend vorbereitet. „Aus unserer Sicht wird das Thema nun insbesondere in der Automobilindustrie schnell zum ,Fliegen‘ kommen“, ist er überzeugt. Hinsichtlich des produzierenden Gewerbes rechnet er damit, dass die DC Technologie dort in zwei, spätestens drei Jahren breite Anwendung finden wird.
Weidmüller bietet unter anderem Infrastrukturkomponenten und Power Management für DC-Netze. Dazu zählen die sichere Verbindungstechnik für bidirektionalen Energiefluss durch Rekuperation, Schutz von Personen und Anlagen, Zustandsüberwachung der Steckverbinder und smarte Sicherheitsfunktionen durch Verriegelung. Außerdem werden Lösungen zur Überwachung der Systemspannung und der Energieflüsse in den DC-Sektoren, zum Management des Netzzustands und zur Absicherung der Nennwerte angeboten. Darüber hinaus gibt es Vorladesteuerungen, die ein geregeltes, sequenzielles Hochfahren der einzelnen Sektoren eines DC-Netzes ermöglichen. Diese Sektoren mit ihren Verbrauchern, wie Antriebe, Motoren oder komplexe Lastkreise, können nacheinander gestartet werden, um Stromspitzen zu vermeiden.
5G – viele Vorteile gegenüber Wi-Fi
Dass Industrial Connectivity für Weidmüller nicht zwangsläufig drahtgebunden umgesetzt werden muss, zeigen unter anderem die Aktivitäten rund um den Mobilfunkstandard 5G. So zählt das Unternehmen beispielsweise zu den Gründungsmitgliedern der 5G-ACIA. „Funktechnologien sind im Fertigungsumfeld nicht neu“, stellt Dr. J. S. Michels grundsätzlich heraus und verweist auf Bluetooth, Wi-Fi und andere Technologien. „Das Alleinstellungsmerkmal von 5G ist allerdings, dass diese Netze übergreifend managebar sind – und zwar nicht nur jede Applikation für sich, sondern das Netzwerk im Gesamten. Dabei lassen sich beispielsweise für bestimmte Applikationen Ressourcen exklusiv reservieren. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, einen Video-Stream parallel zu Daten von einer Safety-Applikation mit ihren hohen Echtzeit-Anforderungen zu übertragen“, gibt er an. Prinzipiell profitieren nach seiner Aussage Kunden von 5G in ihrer Fertigung von einer großen räumlichen Funkabdeckung, für die weniger Basisstationen erforderlich sind. „Unter anderem dadurch und aufgrund einer effizienteren Netzauslegung senken sich die Total Costs of Ownership“, berichtet er im Vergleich mit Wi-Fi. Zudem würde die 5G-Technologie die Verfügbarkeit in der Fabrik erhöhen und Störungen oder Übertragungsausfälle zu einzelnen Teilnehmern reduzieren. In Summe würde somit die Produktivität gesteigert.
Auf die Frage nach hohen Kosten und im Fertigungsumfeld fehlendem IT-Know-how bezüglich Aufbau und Wartung der 5G-Netze antwortet der Experte: „Die Themen Managebarkeit, Konfiguration und Integration in die Factory IT müssen sicherlich noch weiter aufbereitet und so gekapselt werden, dass sie auch für den Fertigungs-IT-Mitarbeiter einfach umsetzbar sind. Was die heute noch hohen Kosten anbelangt, zeigen Entwicklungen wie 5G RedCap (Reduced Capability) in eine richtige Richtung. Solche 5G-Chips mit ‚abgespeckter‘ Funktionalität sollen für kostensensitive Applikationen genutzt werden.“ Auch netzseitig ist diese Tendenz erkennbar, unter anderem durch den offenen Standard für 5G-Funkzugangsnetze, genannt Open RAN, und der dadurch resultierenden entfallenden Herstellerunabhängigkeit.
Rund um das Thema 5G fokussiert sich Weidmüller auf Infrastrukturkomponenten. Als ein Highlight nennt Dr. J. S. Michels ein Gateway: „Im Prinzip handelt es sich um ein IP67-IO-Gerät, mit dem wir direkt im Feld über 5G Sensorsignale einlesen und ausgeben können. Wir haben es bereits in verschiedene Test-Applikationen in der Automobilindustrie und Intralogistik eingebracht.“ Zusätzlich soll auch das u-mation-Portfolio um eine 5G-Anbindung ergänzt werden, sodass das offene Betriebssystem u-OS von der zuverlässigen und sicheren 5GKommunikation profitieren kann. Aktuell befände man sich dabei, die gewonnenen Erfahrungen zu sammeln, um daraus die Strategie zu verfeinern sowie die optimal passenden Komponenten abzuleiten. Er verweist zudem auf die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Forschungsinstitut IOSB-INA, die zwei 5G-Campusnetze betreiben. Auch Weidmüller selbst hat vor einigen Jahren in einer seiner Fertigungshallen ein eigenes 5G-Campusnetz aufgebaut. Als Use Cases wurden hier Lokalisierung, Prozessdatenübertragung, AGV beziehungsweise Intralogistik aufgebaut. „Das hat uns auch gezeigt: 5G ist nicht die Universallösung für alle Use Cases. Das Thema muss fokussiert angegangen werden“, lauten seine Erfahrungen. Dennoch schätzt er 5G als zukünftig wichtigen Effizienzhebel für smarte Fabriken ein.