
Steffen Winkler, Vertriebsleiter der Business Unit Automation & Electrification Solutions bei Bosch Rexroth: „Viele Entscheidungen rund um ctrlX Automation wurden vom Markt getriggert. Wir haben schnell reagiert, viel ausprobiert und sind auf das bislang Erreichte sehr stolz. Das betrifft neben unserer offenen Automatisierungslösung ebenso die Tatsache, dass wir eine sehr flexible und anpassungsfähige Organisation geworden sind.“ (Quelle: Bosch Rexroth)
Herr Winkler, Bosch Rexroth die Frage zu stellen, wie Sie den Begriff Open Automation definieren, ist sicherlich eher rhetorisch. Dennoch wäre es nett, wenn Sie in eigenen Worten Ihr Begriffsverständnis kurz darlegen würden.
S. Winkler: Mit ctrlX Automation, unserem Partnernetzwerk ctrlX World und dem Betriebssystem ctrlX OS folgen wir der Mission, Automatisierung wirklich offen zu gestalten. Das bedeutet, dass wir keine proprietären Schnittstellen oder Tools verwenden, sondern unterschiedliche Programmiersprachen zulassen, weitestgehend auf Webbased Engineering setzen und Hardware-Unabhängigkeit bieten. Hinzu kommt, dass wir maximale Offenheit für Drittanbieter leben, was so weit reicht, dass wir mittlerweile unser Betriebssystem teilen.
Wie profitiert der Kunde von Ihrem maximalen Offenheitsprinzip?
S. Winkler: Würde man Kunden bzw. Anwender befragen, dann würde sicherlich die echte Offenheit am häufigsten genannt werden. Das äußert sich auch in einem deutlich geringeren Anbieter-Lock-in. Fast noch wichtiger ist sicherlich der große Lösungsraum, der rund um unsere Partnerwelt ctrlX World entstanden ist und der auch durch viele Drittanbieter ausgestaltet wird. Kein Unternehmen ist heute mehr imstande, alles alleine umzusetzen. Unsere ctrlX World Partner sind alle Spezialisten in ihrem Gebiet, die unser Lösungsportfolio ergänzen. Aufgrund unserer Offenheit bezüglich der Programmiersprachen erreichen wir nicht alleine Ingenieure, sondern auch Softwareentwickler jeder Couleur. Sie können zwischen C++ für Echtzeit-Anwendungen, Python für KI-Anwendungen oder Java bzw. JavaScript für webbasierte Bedingungen frei wählen. Die meisten Automatisierungslösungen heute sind SPS-zentriert und setzen als Programmiersprache auf IEC 61131-3 oder eine andere proprietäre Lösung. Das können wir auch, müssen es aber nicht. Beispielsweise ist Codesys bei uns eine von vielen Apps. Und das ist ein weiterer Punkt: unser App-Ansatz. Er bietet dem Anwender den Vorteil, dass Software bzw. Softwareprojekte einfacher zu entwickeln, zu warten und zu administrieren sind. Stichworte sind Composable Software oder Microservices. Und damit wirken wir auch dem Fachkräftemangel bzw. dem demografischen Wandel entgegen. Die Anwender bzw. Nutzer werden immer jünger. Mit unserem Ansatz ermöglichen wir es ihnen, mit Tools und Technologie zu arbeiten, die ihnen auch wirklich Spaß machen.
Sie haben das Partnernetzwerk bereits angesprochen. Bosch Rexroth lebt den Begriff Co-Creation sicherlich um einiges intensiver als manch anderes Unternehmen: 2021 wurde die ctrlX World gegründet. Welche Bedeutung hatte dieser Aspekt für den Erfolg von ctrlX Automation?
S. Winkler: Sehr bedeutend! Ich muss allerdings dazu sagen, dass der Anstoß für unsere ctrlX World von außen kam: Nachdem wir ctrlX Automation 2019 auf der SPS vorgestellt hatten, kamen einige Firmen auf uns zu und fragten, ob sie an unserem offenen System mitarbeiten dürften bzw. etwas dazu beitragen könnten. Und dann haben wir uns – wie so oft auf der Reise bis heute – am Kopf gekratzt und entschieden, unser System zu öffnen. Gestartet sind wir dann mit zwölf Partnern. Und damals hätten sicherlich die wenigsten von uns geahnt, dass sich unsere Reise bis heute so dynamisch entwickeln würde.
Bedeutsam war dieser Schritt vor allem deshalb, weil sich viele Kunden oftmals aufgrund dieses Ökosystems für unsere Plattform entscheiden: Das Lösungsangebot ist immens groß.
Können Sie „immens groß“ bitte etwas genauer spezifizieren: Wie viele Partner sind es heute und wie viele Apps befinden sich in Ihrem Store?
S. Winkler (lacht): Hier muss man fast schon tagesaktuell Updates abliefern. Stand 1. März 2024 sind wir bei knapp 100 Partnern. Und das macht uns zu dem am schnellsten wachsenden Ökosystem in der industriellen Automatisierung. Dabei kommen die Partner aus vielen unterschiedlichen Domänen. Wir zählen mittlerweile über 150 Use Cases, also echte Lösungsbeiträge von den einzelnen Firmen. Dabei geht es nicht einzig um Apps oder reine Softwarebeiträge. Im Bereich Sensorik finden sich auch Lösungen zur Anbindung von IO-Link-Mastern oder Vision-Systemen. Damit ist dann natürlich auch eine Softwareimplementation verbunden. Insgesamt zählen wir mittlerweile fast 70 Apps in unserem Store, von denen fast 50 % von Drittanbietern stammen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass in ein bis zwei Jahren die große Mehrheit von Drittanbietern stammen wird.
Partnerschaft und Offenheit sind Themen, die Bosch Rexroth auch rund um sein Betriebssystem lebt. So wurde dieses Ende 2022 ebenfalls für Partner geöffnet. Als erster Partner wurde Wago und später Dell Technologies und Nokia präsentiert. Welche Bedeutung hat diese recht einzigartige Öffnung Ihres Betriebssystems in Ihrer Offenheits- und Erfolgsstrategie?