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Dr. Claus Bischoff (Lenze), Dr. Thomas Bürger (Weidmüller), Hilmar Panzer (Codesys), Dr. Tobias Frank (Phoenix Contact), Felix Kranert (Schneider Electric), Dr. Heiner Lang (ehemals Wago) und Steffen Winkler (Bosch Rexroth) (v. l.) stellten sich auf einer Podiumsdiskussion auf der SPS in Nürnberg den Fragen der openautomation-Redaktion (Inge Hübner und Ronald Heinze) sowie des interessierten Fachpublikums. (Quelle: VDE VERLAG)

Künstliche Intelligenz hat ihren Siegeszug in viele Lebensbereiche angetreten. Nach den aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten von KI in den offenen Automatisierungslösungen der einzelnen Player gefragt, antwortet Lenze-CTO Dr. C. Bischoff: „Bei Lenze schätzen wir die Möglichkeiten von KI sehr. Durch die Kombination von generativer KI mit Large Language Models kann das bei Lenze vorhandene Expertenwissen zu Produkten und Lösungen, das in Berichten, Wissensdatenbanken und Dokumenten vorliegt, schnell, verlässlich und dank Quellenverlinkung auch nachvollziehbar, Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Dies beschleunigt bereits die tägliche Arbeit und wird in Zukunft unsere Kunden in allen Phasen des Lebenszyklusses – vom Konzept über Inbetriebnahme bis zur Wartung – die Arbeit erleichtern. Maschinelle Lernverfahren unterstützen bei Condition-Monitoring-Lösungen sowie bei der Beurteilung der Produktqualität, indem sie das erwartete Verhalten schnell erlernen und anomales Verhalten erkennen können. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz dieser Technologie bei der Optimierung von Reglerparametern. Mit Autotuning können beispielsweise komplexe Inbetriebnahmeprozesse vereinfacht und die Qualität der Bewegungsführung verbessert werden. So können Kunden Maschinen schneller und mit höherer Performance in Betrieb nehmen.“

Dr. Heiner Lang, ehemaliger CEO bei Wago, führt zwei weitere Beispiele aus der Praxis an, die belegen, dass KI nicht nur bei neuen Anwendungen Nutzen bringt und dafür zunächst die Readiness erzeugt werden muss. „Bei Wago nutzen wir KI beispielsweise, um das Thema Security robuster und resilienter zu gestalten. Kein menschlicher Verstand könnte in der gleichen Zeit so viele Ideen für Hackerangriffe oder Penetrationstests entwickeln, wie es eine KI vermag. Das macht sie zu einem hervorragenden Partner, wenn es darum geht, die eigene Steuerung an ihre Grenzen – und darüber hinaus – zu bringen“, erklärt er. Als weiteres Einsatzgebiet im eigenen Unternehmen nennt er die Code-Optimierung. „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten tausende Zeilen Code geschrieben. Kein Ingenieur würde sich heute noch hinsetzen, um diese komplett neu aufzusetzen, zu strukturieren oder zu optimieren. Hierfür nutzen wir nun KI: Sie analysiert den Code, passt ihn an und macht ihn effizienter. Davon profitieren sowohl unsere Kunden als auch wir.“

Wie Dr. Tobias Frank, Vice President Automation Systems bei Phoenix Contact, ausführt, vermögen wir das volle Potenzial von KI aktuell noch gar nicht abzuschätzen. Allerdings dürften wir uns auf dem Weg ins KI-Zeitalter nicht selbst im Weg stehen. Er verweist auf ein Erlebnis, das ihn nachdenklich gestimmt hat. „Es geht um den EU AI Act – ein neues Gesetz, das den Einsatz von KI stark reglementiert, teilweise sogar verhindert“, meint er. Besonders betroffen seien Anwendungen, die kritische Disziplinen wie Security oder Safety mit KI kombinieren. „Ein Forschungsteam hat sich intensiv damit beschäftigt, wie man diese Einschränkungen umgehen kann – was aus meiner Sicht ein erschreckend innovationshemmender Ansatz ist. Wir müssen aufpassen, dass wir uns mit Überregulierung nicht selbst die Türen zur Innovation verschließen“, lautet die Botschaft von Dr. T. Frank.

Felix Kranert, Head of Offer Marketing Industrial Automation DACH bei Schneider Electric, führt ein Zitat an: „Die Rollen in der Welt sind klar verteilt – Amerika innoviert, China produziert und die EU reguliert. Und genau in diese Falle dürfen wir nicht tappen.“ Zurückkommend auf die ursprüngliche Frage führt er aus: „Es heißt oft, dass der typische Softwareentwickler 80 % seiner Zeit mit Debugging oder Dokumentation verbringt. Wenn wir die heutigen Möglichkeiten von KI – etwa mit Copilot-Integrationen in Entwicklungsumgebungen –konsequent nutzen, können wir den Arbeitsalltag von zehntausenden Entwicklern in der Automatisierungsbranche erheblich optimieren.“ Er ist überzeugt, dass Entwickler, die mit diesen Tools arbeiten und sich auf ihre Nutzung konzentrieren, die etablierten Ansätze in kürzester Zeit weit übertreffen werden. „Die Effizienzgewinne, die sich hier auftun, sind enorm. Das zeigt, wie sehr wir heute schon von KI profitieren können. Insbesondere profitieren die Bereiche, in denen es um Wiederholbarkeit und Optimierung geht, denn das sind die Stärken der KI.“

Aus Sicht von Hilmar Panzer, CTO Codesys Group, ist der Einsatz von KI in vielen Bereichen denkbar. „Im Engineering liegt das auf der Hand, aber auch auf der Steuerungsebene gibt es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, die bislang noch weniger weit verbreitet oder bekannt sind. Trotzdem sehe ich uns – auch wenn wir ein Softwareunternehmen sind – nicht als KI-Experten. Wir sind Anwender der KI, und vielleicht werden wir eines Tages zu Experten, aber aktuell konzentrieren wir uns darauf, die Möglichkeiten der offenen Automatisierung zu nutzen. Offene Systeme erlauben es uns, unsere Steuerungen so weit zu öffnen, dass Experten und Forscher auf alles zugreifen können, was sie für ihre innovativen Ansätze benötigen. Diese Offenheit ist entscheidend, um Fortschritt und neue Anwendungen überhaupt erst zu ermöglichen“, spannt er den Bogen zurück zum Thema Open Automation.

Aus dem Publikum kommt die Frage, welche Nachteile sich durch den KI-Einsatz ergeben. Dr. C. Bischoff antwortet: „Es gibt viele spannende KI-Use-Cases. Entscheidend ist bei jedem einzelnen, die Zusammenhänge zu verstehen. Wenn wir als Menschen danebenstehen während große Datenmengen verdichtet und miteinander verknüpft werden, und wir nicht mehr in der Lage sind nachzuvollziehen, was genau geschieht und wie diese Prozesse zusammenpassen, wird das zur größten Herausforderung. Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht nur wissen, was passiert, sondern dass wir auch in der Lage sind, das Geschehene sinnvoll zu interpretieren und in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Deshalb brauchen wir Transparenz. Der Nutzer muss wissen, welche Informationen mittels KI generiert wurden. Eine Vernetzung zu den relevanten Quellen ist immanent. Nur so können wir abschätzen, ob die KI-generierte Aussage vertrauenswürdig ist.“

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